Kein Mensch auf der ganzen Welt
kann die Wahrheit verändern.
Man kann sie nur suchen
sie finden und ihr dienen.
Die Wahrheit ist an jedem Ort.

Dietrich Bonhoeffer

Indienststellung der Unteroffizierschule des Heeres

Ansprache des Amtschef Heeresamt, Generalmajor Jürgen Ruwe, aus diesem Anlass am 23. Oktober 2003 in Delitzsch

Herr Minister,
Herr Oberbürgermeister,
meine Herren Abgeordnete,
Exzellenzen,
meine Herren Generale,
sehr verehrte Gäste,
Soldatinnen und Soldaten, zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unteroffizierschule des Heeres!

Zum Indienststellungsappell der Unteroffizierschule des Heeres begrüße ich Sie alle ganz herzlich. Ich danke allen Gästen für Ihr Kommen - aus dem hiesigen Raum ebenso wie besonders auch denen, die von weither angereist sind. Ihre Teilnahme gibt dieser Veranstaltung, die für das Deutsche Heer eine herausgehobene Bedeutung hat, einen würdigen Rahmen.

Die Entscheidung, die Verantwortung für die Ausbildung der Unteroffiziere an einer Stelle - nämlich hier in Delitzsch - zusammenzuführen und lediglich Lehrgruppen an den beiden übrigen Standorten Münster und Weiden zu belassen, hat natürlich nicht überall Freude ausgelöst. Sie ist aber – ich sage das gleich zu Beginn - aus meiner Sicht eine vernünftige Lösung. Ich bitte all diejenigen, die sich für Ihre eigenen Standorte stark gemacht haben, um Verständnis für die getroffene Entscheidung. Die Tatsache, dass etliche Vertreter der beiden übrigen Standorte hier anwesend sind, ist - so hoffe ich - ein Indiz dafür, dass die Neuregelung akzeptiert wird.

Für Delitzsch – und sicher auch über die Stadtgrenzen hinaus – bedeutet die Einrichtung der Unteroffizierschule des Heeres natürlich eine willkommene Aufwertung des Standortes. Ich freue mich, dass auch das Land Sachsen Anteil an diesem Ereignis nimmt, und begrüße ganz herzlich den Innenminister des Freistaats Sachsen, Herrn Staatsminister Horst Rasch, der anschließend zu uns sprechen wird.

Für alle anwesenden Bürgermeister und kommunalen Vertreter aus den Bereichen der drei Garnisonsstädte und für alle Bürger dieser Stadt begrüße ich stellvertretend den Oberbürgermeister der Stadt Delitzsch, Herrn Heinz Bieniek. Ich verbinde meinen Gruß mit einem ganz herzlichen Dank dafür, dass wir diesen feierlichen Appell hier auf dem Rathausplatz, quasi der guten Stube Ihrer Stadt, durchführen können.
Ganz besonders freue ich mich auch über die außerordentlich große Zahl der anwesenden Abgeordneten. Ich begrüße die Mitglieder des Deutschen Bundestages, die Herren Rainer Fornahl, Georg Gierisch, Manfred Kolbe, Albert Rupprecht und Andreas Weigel, sowie die Mitglieder des Bayerischen bzw. Sächsischen Landtages, die Herren Fritz Möstl, Herbert Rubenbauer, Werner Schieder und Georg Stahl.
Sie ersehen schon bei dieser Begrüßung aus der umfangreichen bayerischen Beteiligung, meine Damen und Herren, welch großen politischen Rückhalt die Unteroffizierschule Weiden in ihrer Region hatte. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren aus der Oberpfalz, Ihre Unterstützung und Ihr Wohlwollen künftig auch der dort verbleibenden Lehrgruppe zu gewähren.

Für die zahlreich anwesenden aktiven und ehemaligen Generale des Heeres begrüße ich stellvertretend den Kommandierenden General des I. Deutsch-Niederländischen Korps in Münster und bis vor wenigen Wochen Befehlshaber der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan, Herrn Generalleutnant Norbert van Heyst, für die Bundeswehrverwaltung, den Präsidenten der Wehrbereichsverwaltung Ost, Herrn Hans-Henning Köhncke.
Last but not least heiße ich die Vertreter der Medien herzlich willkommen und bitte Sie zugleich, die Aktivitäten der Heeresunteroffizierschule auch künftig wohlwollend zu begleiten.

Der Unteroffizier, meine Damen und Herren, spielt traditionell in deutschen Armeen eine besondere Rolle. Zum einen ist er auf der Ebene der Feldwebel Experte und Fachmann hohen Grades – halt der „Meister seines Fachs“. Zum anderen ist er als Feldwebel im Truppendienst als Führer von Teileinheiten für die Führung, Ausbildung und Erziehung der Soldaten verantwortlich. Mit seinem Einsatz, seinem Engagement und seiner Befähigung zur Menschenführung bestimmt er in entscheidender Weise das Leistungsvermögen der ihm anvertrauten Soldaten. Ihnen ist er der erste und wichtigste Ansprechpartner.

Im Rahmen der Auftragstaktik hat er in hohem Maße Handlungsfreiheit und trägt die damit verbundene Verantwortung. Er nimmt Aufgaben wahr, die in vielen anderen Armeen Offizieren obliegen. Dass wir mit einem solchen Ansatz auf dem richtigen Weg waren, haben gerade die vielfältigen Einsätze im Rahmen von friedensstabilisierenden Operationen gezeigt. Auch die Nutzung moderner Kommunikationstechnik kann den jeweiligen Führer vor Ort nicht von der Aufgabe entbinden, bei auftretenden Konflikten blitzschnell und ohne Rückfragen situationsangemessen zu entscheiden. Unsere Unteroffiziere in den Einsätzen - sei es auf dem Balkan, sei es in Afghanistan, sei es in anderen Teilen der Welt - haben bewiesen, wie gut sie ihr Metier beherrschen. Viele Armeen beneiden uns um diese Fähigkeiten und versuchen, ähnliche zu entwickeln.

Ergänzt wird dieses traditionelle Bild vom Unteroffizier als Führer durch die neu geschaffene Kategorie der Unteroffiziere Fachdienst. Sie reflektiert den in vielen Bereichen gestiegenen Bedarf an fachlicher Expertise, die wir durch diese neue Laufbahn sicherstellen wollen. In welchem Maße die Anforderungen an den Unteroffizier in seinen unterschiedlichen Tätigkeitsprofilen erfüllt werden können, hängt entscheidend von Konzeption und Durchführung der Ausbildung zum Unteroffizier ab.

Mit der Neugestaltung dieser Ausbildung in den achtziger Jahren wurde jedem der damaligen Heereskorps eine Heeresunteroffizierschule zugeordnet. Dies führte 1990 zur Aufstellung der HUS I in MÜNSTER und der HUS II in WEIDEN. Die Wiedervereinigung unseres Landes ermöglichte es wenig später, im April 1991, auch hier in DELITZSCH eine HUS, die HUS IV, in Dienst zu stellen.

Bis zum letzten Jahr waren Ausbildung und Erziehung der jungen Unteroffizieranwärter des Heeres der zentrale Auftrag der Heeresunteroffizierschulen. Für Generationen von ihnen waren die Lehrgänge in DELITZSCH, MÜNSTER und WEIDEN die erste Stufe auf dem Weg in die Verwendung als Führer, Ausbilder oder als Fachmann im Dienstgrad Unteroffizier ohne Portepee. Alle drei Schulen haben sich bei der Erfüllung dieser Aufgabe in der Truppe immer hoher Anerkennung erfreut. Während zu Beginn der neunziger Jahre vornehmlich der Unteroffiziernachwuchs ohne Portepee in Laufbahnlehrgängen ausgebildet wurde – die weiterführende Ausbildung erfolgte in den Truppenschulen -, hatte die HUS IV hier in DELITZSCH in den letzten Jahren den besonderen Auftrag, Fortbildungslehrgänge für Feldwebel durchzuführen.

Das Attraktivitätsprogramm brachte mit der Neuordnung der Unteroffizierlaufbahnen seit April 2002 grundlegende Veränderungen mit sich. Im Mittelpunkt des Auftrages der Unteroffizierschule steht jetzt der Feldwebelanwärter. Als krönenden Abschluss seiner dreijährigen Ausbildung erhält er hier in einem dreimonatigen militärischen Lehrgang - gefolgt von einer ebenso langen Sprachenausbildung in Englisch - das Rüstzeug für die Qualifikation zum Feldwebel.
Mittlerweile bilden alle drei Lehrgruppen Feldwebelanwärter in der beschriebenen Weise aus. Wir stehen zwar noch am Anfang dieser grundlegend geänderten Ausbildungskonzeption; dennoch kann ich bereits jetzt mit Freude feststellen, dass die immense Arbeit bei der Gestaltung des neuen Lehrgangs Früchte trägt. Die ersten Ergebnisse sind sehr positiv und bestätigen das anspruchsvolle Konzept.

Die Neuordnung der Unteroffizierlaufbahnen hat zu der Entscheidung beigetragen, - ähnlich der Offizierschule des Heeres - alle drei HUS zu einer Unteroffizierschule des Heeres zusammenzufassen, um die Gesamtverantwortung in der Durchführung der Lehrgänge in einer Hand zu haben. Im Unterschied zur Offizierschule des Heeres in DRESDEN bleiben wir jedoch - auch wegen des größeren Personalaufkommens - mit der USH an drei Standorten und damit in der Fläche präsent - hier in DELITZSCH mit der Führung und einer Lehrgruppe, in MÜNSTER und WEIDEN mit je einer weiteren Lehrgruppe.

Bei der Entscheidung für DELITZSCH als Zentrale hat natürlich eine Rolle gespielt, dass das Heer mit wichtigen Ausbildungseinrichtungen auch im Osten unseres Landes sichtbar sein will – zumal sich ein überproportional hoher Anteil der Unteroffizieranwärter aus diesem Bereich rekrutiert. Es hat dagegen keine Rolle gespielt, meine Damen und Herren, - dies wird wirklich nur von bösen Zungen behauptet -, man hätte geglaubt, die zunehmend erforderlichen Fremdsprachenkenntnisse unserer Unteroffiziere ließen sich in einem Umfeld mit einem für viele etwas ungewohntem Idiom der deutschen Sprache leichter entwickeln. Das hätten wir auch in Bayern haben können.

Meine Damen und Herren, wesentlichen Einfluss auf die guten Ausbildungsbedingungen an allen drei Standorten der USH hat ihre Akzeptanz und Integration in das gesellschaftliche Leben in den drei Garnisonsstädten, die teilweise auf eine lange Militärtradition zurück blicken können. Sowohl in MÜNSTER und WEIDEN als auch hier in DELITSCH sind diese militärischen Ausbildungseinrichtungen fester Bestandteil des kommunalen Lebens. Viele der hier stationierten Soldaten wählen diese Garnisonsstädte zu ihrem Lebensmittelpunkt. Die Soldaten engagieren sich aktiv in Vereinen und tragen zum gesellschaftlichen Leben bei. Davon zeugen auch die engen Patenschaften einzelner Inspektionen zu ihren Garnisonsstädten bzw. zu Gemeinden der Region. Die Integration der USH in das jeweilige zivile Umfeld ist an allen Standorten offenbar gut gelungen.

Das füreinander Einstehen manifestierte sich im August 2002 hier in der Region in besonderer Weise, als Soldaten und Zivilbevölkerung in engem Schulterschluss gemeinsam gegen die Fluten der Mulde und die Folgen der Hochwasserkatastrophe kämpften. Aus dieser Kaserne wurden in jenen Wochen des Sommers 2002 mehr als 1000 Soldaten in den Katastropheneinsatz geführt und versorgt.
Erwähnen möchte ich auch, dass die Lehrgangsteilnehmer aus verschiedenen Regionen unseres Landes natürlich den Bekanntheitsgrad ihrer jeweiligen Garnisonsstadt deutlich erhöhen und eine nicht unwichtige Rolle als Multiplikatoren tragen. So durchliefen bis dato ca. 35.000 Soldaten die Ausbildung zum Unteroffizier hier in DELITZSCH. Wenn sie sich hier wohlgefühlt haben, sind dies 35.000 junge Menschen als Werbeträger für diese Stadt und diese Region.

Die USH wirkt mit ihren internationalen Verbindungen aber auch weit über die regionalen Bereiche hinaus. So setzen die Lehrgruppen die bestehenden Patenschaften zu Ausbildungseinrichtungen verbündeter Armeen und Streitkräfte fort: Die Lehrgruppe in MÜNSTER zur niederländischen ”Koninklijke Militaire School” in WEERT und zur belgischen Unteroffizierschule ”Ecole Royale De Sous-Officers No. 1 (ERSO) in DINANT; die Lehrgruppe in WEIDEN zum bulgarischen Ausbildungszentrum ”Vassil Levski” in VELIKO TARNIVO und der hiesige Bereich zum polnischen Ausbildungszentrum für Panzerspezialisten in OSTROWO. Darüber hinaus bestehen weitere Verbindungen, wie etwa die Ausbildungspartnerschaft zur albanischen Unteroffizierschule in TIRANA.

In einem zusammenwachsenden Europa, angesichts der Erweiterung der NATO und einer zunehmend interdependenten Welt gewinnen diese Verbindungen noch an Bedeutung. Alle Einsätze der Bundeswehr bewegen sich in einem multinationalen Umfeld. Durch das enge Zusammenwirken mit vergleichbaren ausländischen Institutionen wird das gegenseitige Kennenlernen und Verständnis füreinander gefördert und – quasi nebenbei - manche Anregung für die Lehre gewonnen.

Die große Anzahl hochrangiger internationaler militärischer und politischer Besucher bestätigt im übrigen immer wieder aufs Neue den hohen Stellenwert und den guten Ruf, den die Unteroffizierausbildung des Heeres bei anderen Streitkräften genießt. In dieser Hinsicht brauchte sich die hiesige Einrichtung auch in der Vergangenheit nicht über mangelndes Interesse zu beklagen. Unter ihren Gästen waren u.a. Bundespräsident Herzog, der sächsische Ministerpräsident Biedenkopf, die Bundesminister Rühe und Scharping, die finnische Verteidigungsministerin Rehn, der sächsische Innenminister Eggert, Mitglieder der Nordatlantischen Versammlung und der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages – von den militärischen Besuchern ganz abgesehen. Ich bin sicher, dass sich die HUS auch künftig eines breiten Interesses gewiss sein kann und empfehle sie auch Ihrer aller wohlwollenden Unterstützung.

Meine Damen und Herren, das Heer steht erneut vor großen Herausforderungen. Veränderte Einsatzforderungen bei begrenzten Finanzmitteln verlangen eine weitere Anpassung der Strukturen. Ich möchte jedoch daran erinnern: Wichtiger als Strukturen und materielle Ausstattung ist der Mensch. Nicht zuletzt die laufenden Einsätze mit nahezu 6.000 Soldaten des Heeres auf dem Balkan, in Afghanistan und in anderen Teilen der Welt zeigen uns täglich, dass wir auch künftig Soldaten brauchen, die hoch motiviert sind und weitgehend selbständig mit einem hohen Maß an persönlichem Engagement ihren Dienst leisten.

Die HUS leistet dazu einen wichtigen Beitrag – hier in DELITZSCH wie auch in MÜNSTER und WEIDEN.