Antwort an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Reinhold Robbe vom 30. Dezember 2008
Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter!
Nach nunmehr fast drei Jahren teilen Sie mir kurz vor Weihnachten in sehr kursorischer Form mit, Sie hätten nach Abschluss aller Verfahren mein gesamtes Vorbringen eingehend geprüft und nicht erkennen können, dass eine von den getroffenen Entscheidungen abweichende Bewertung vorzunehmen wäre. Es stehe Ihnen auch gar nicht zu, Gerichtsentscheidungen zu kritisieren. Dessen ungeachtet hätte man sich von allen Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt eine andere Form der Kommunikation vorstellen können. Offenbar um das Gleichgewicht in der Kritik zu wahren, haben Sie dann die Erwartung geäußert, dass ich im Zusammenhang mit der Wahrnehmung meiner Rechte stets Ausdrucksformen gewählt hätte, die meiner hervorgehobenen Dienststellung entsprachen und deren Beachtung ich von anderen eingefordert hätte.
Ihr Schreiben, Herr Wehrbeauftragter, ist aus meiner Sicht an Peinlichkeit kaum zu übertreffen.
Zum einen entbehrt es der Logik: Fast drei Jahre lang halten Sie mich mit dem Hinweis hin, sie könnten sich zu laufenden Verfahren nicht äußern,
obwohl ich Ihnen mehrfach verdeutlicht hatte, dass die im Zuge meiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand durch das BMVg begangenen
gravierenden Verstöße gegen die Grundsätze der Inneren Führung kein Gegenstand juristischer Verfahren seien. Nach Abschluss der Verfahren
stellen Sie dann fest, Sie könnten natürlich deren Ergebnisse nicht kommentieren. Das hätten Sie mir auch vor drei Jahren mitteilen können.
Zum anderen ist Ihr Schreiben teilweise so kryptisch verfasst, dass es niemand verstehen kann. Wen meinen Sie damit, wenn Sie feststellen, Sie
hätten sich von allen Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt eine andere Form der Kommunikation vorstellen können? Meinen Sie damit alle Beteiligte
des BMVg, also den Minister, Staatssekretär Dr. Wichert, den Generalinspekteur und den Abteilungsleiter PSZ – oder meinen Sie auch sich selbst damit?
Denn auch Sie wussten offenbar lange vor mir von meiner geplanten Entlassung und haben dennoch an der Geheimhaltung mir gegenüber mitgewirkt. Sie haben mich im übrigen bis heute nicht darüber informiert, durch wen, wann und in welcher Form Sie vorab über meinen Fall unterrichtet wurden und wie Sie sich seinerzeit dazu eingelassen haben.
Mich jedenfalls können Sie mit der wünschenswerten „anderen Form der Kommunikation“ nicht gemeint haben, denn mit mir hat niemand kommunizieren wollen, während die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Sie bereits darüber informiert waren. Keiner der oben Genannten hat mit mir vor der abschließenden Entscheidung zur Anwendung des § 50 Soldatengesetz auch nur ein Wort gewechselt. Mein Schreiben an den Minister, in dem ich um ein Gespräch gebeten hatte, blieb unbeantwortet.
Was Ihre kritischen Anmerkung zu den von mir „gewählten Ausdrucksformen“ angeht, kann ich mich nur wundern. Sie sollten mich lange genug kennen, um zu wissen, dass ich mich stets bemüht habe, Klartext zu reden. Das werde ich auch weiterhin tun und fühle mich durch die Aufforderung des Herrn Bundespräsidenten an die militärische Führung darin bestärkt. Wenn jemand Klartext nicht hören mag, sollte er nach den Ursachen zunächst bei sich selbst suchen.
Um nicht destruktiv zu erscheinen, möchte ich Ihnen einige Anregungen geben, was aus meiner Sicht in einen solchen Abschlussbericht hineingehört
hätte:
Sie hätten mir z.B. mitteilen können, wie Sie unter dem Aspekt der Inneren Führung die Methoden bewerten,
• „unabhängig vom Wahrheitsgehalt“ zwei Generale der Kungelei zugunsten des rechtsextremistischen Sohnes des einen zu bezichtigen, obwohl die
zuständige Abteilung später eingeräumt hat, diesen Sohn zu keiner Zeit als rechtsextremistisch orientiert betrachtet zu haben,
• eine schwerwiegende Maßnahme, nämlich die Anwendung des § 50 Soldatengesetz, dem Betroffenen gegenüber bis zuletzt
geheim zu halten, während Teile des Parlaments, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages und schließlich das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“
unter eindeutigem Verstoß gegen § 9 der Wehrdisziplinarordnung sowie gegen §§ 353b und 203
Strafgesetzbuch darüber bereits informiert waren. Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Bonn die Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang
gem. § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung wegen angeblich geringer Schuld der Täter eingestellt hat, entbindet den
Bundesminister der Verteidigung ja nicht von einer disziplinaren Ahndung des rechtswidrigen Handelns.
Sie hätten sich auch dazu einlassen können, was Sie unter dem Aspekt der Inneren Führung davon halten,
• einem schwerwiegend Beschuldigten das in der Wehrdisziplinarordnung vorgesehene Verfahren zur Selbstreinigung zu versagen und
• all seine Dienstaufsichtsbeschwerden, in denen er schwerwiegende Dienstvergehen von Angehörigen des BMVg bzw. der Wehrdisziplinaranwaltschaft
in diesem Fall in detaillierter Form darlegt, völlig nichtssagend oder gar nicht zu bescheiden.
Ich vermisse auch ein Wort dazu, wie Sie es bewerten, dass der Generalinspekteur von General Dieter vorab über den inkriminierten Vorgang unterrichtet wurde, ohne irgendwelche Bedenken zu äußern, und dennoch offenkundig weiterhin das besondere Vertrauen des Bundesministers der Verteidigung genießt.
Nicht zuletzt hätten Sie sich dazu äußern können, inwieweit Sie es mit den Grundsätzen der Inneren Führung für vereinbar halten,
• ein Ermittlungsverfahren gegen einen jungen Leutnant über Jahre hinweg zu verschleppen, nur damit das vom BMVg befürchtete Ergebnis nicht in die
von seinem Vater angestrengten Verfahren einfließen konnte,
• seine in diesem Zusammenhang erhobenen Wehrbeschwerden nicht zu bescheiden und
• ihn schließlich sogar, um die vorgelegten Beweismittel nicht anerkennen zu müssen, zur Feststellung seiner „Befragungs-, Vernehmungs- und
Verhandlungsfähigkeit“ in die Psychiatrie einweisen zu lassen. Ihre Auffassung, diese rechtswidrige Anordnung sei mit dem „anlassbezogenen Hinweis“
an den Inspekteur der Streitkräftebasis, er habe seine Befugnisse überschritten, angemessen geahndet worden, stößt bei allen, die mit mir darüber
gesprochen haben, auf blankes Entsetzen.
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hätte sich darüber hinaus auch zu einigen grundsätzlichen Fragestellungen äußern können, z.B. zu der von dem zuständigen Berichterstatter im Bundesverwaltungsgericht aufgeworfenen Frage, ob es denn eigentlich rechts-politisch wünschenswert sei, dass sich Maßnahmen in disziplinaren Ermittlungsverfahren dem Wehrbeschwerderecht entziehen sollen, oder auch zu der Frage, wie lange, angesichts des in der Wehrdisziplinarordnung normierten Beschleunigungsgebots, Disziplinarverfahren eigentlich dauern dürfen. Denn – wie Sie wissen – bewirkt die bloße Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens bereits einen Beförderungsstopp, und ist damit in der Wirkung mit einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme vergleichbar. Sie hätten sich nicht zuletzt auch der Frage widmen können, ob die Interpretation des § 50 Soldatengesetz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit („es reicht aus, wenn dem Minister Ihre Nase nicht passt und er seinen Vertrauensverlust dem Bundespräsidenten plausibel machen kann“) eigentlich der Intention des Gesetzgebers entspricht und wie dies mit der erwähnten Aufforderung des Herrn Bundespräsidenten an die militärische Führung zu vereinbaren ist, Klartext nach oben und außen zu reden.
All dies hätte allerdings vorausgesetzt, dass Sie die Grundsätze der Inneren Führung verinnerlicht haben. Ihre Sprachlosigkeit in diesem Fall steht in merkwürdigem Widerspruch zu vielen ungleich weniger gravierenden Mängeln, die Sie in Ihren Jahresberichten anprangern. Man kann nur mutmaßen, warum Sie sich in diesem Fall nicht klarer artikulieren. Da Sie allem Anschein nach in die Kungelei des zuständigen Staatssekretärs einbezogen waren, mit der durch Vorabinformation die parlamentarische Kontrolle in diesem Fall unterlaufen wurde, sind Sie selbst Beteiligter. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man darüber hinaus vermuten, dass Sie das Rollenverständnis für Ihre Aufgabe als Wehrbeauftragter noch nicht gefunden haben und sich weiterhin an parteipolitische Loyalitäten gebunden fühlen. Ich brauche Sie sicherlich nicht daran zu erinnern, dass Sie dem Parlament als Ganzem, aber auch den Soldaten verpflichtet sind. Dieser Verpflichtung sind Sie nach meiner festen Überzeugung im vorliegenden Fall nicht nachgekommen.
Da ich nicht die Hoffnung hege, dass Sie Ihre bisherige Haltung aufgrund dieses Schreibens korrigieren, werde ich den Schriftverkehr mit Ihnen öffentlich machen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Jürgen Ruwe
Eingabe
Im Oktober 2006 hatte ich mich mit einer förmlichen Eingabe an den Wehrbeauftragten gewandt, nachdem durch die Akteneinsicht im Zuge meiner Verwaltungsklage nachweisbar war, wer im Einzelnen die gravierenden Verstöße gegen die Grundsätze der Inneren Führung zu verantworten hatte. Ich war - und bin - der Auffassung, dass meine damalige Eingabe das Geschehen korrekt und nachvollziehbar darstellt.
Hinweis
Über die ähnlichen Erfahrungen, die Generalleutnant a.D. Hans-Heinrich Dieter mit dem Wehrbeauftragten gemacht hat, berichtet er auf seiner Website unter Der Wehrbeauftragte Robbe.